Mittwoch, 15. Juli 2020

Auf ein - ganz persönliches - Wort: Umgang mit Trauernden


Liebe Leserin, lieber Leser,

die Frage "Wie gehts Ihnen"? ist ja fast schon rhetorischen Ursprungs. Manchmal habe ich den Eindruck, es wird einfach daher gesagt und ohne zu erwarten, dass das Gegenüber vielleicht dann doch mal ehrlich ist und sagt, was Sache ist. Die Reaktion auf die nicht erwartete Antwort "nicht gut" äußert sich dann beim Gegenüber in Erstarren, und Irritation, weil man im Grunde mit einer anderslautenden Antwort wie z. B. "alles ok" oder ähnlich gerechnet hat, eben auch wieder mit einer Antwort rhetorischen Ursprungs.

Insbesondere in den ersten  Phasen der Trauer finde ich die oben erwähnte Frage weniger angebracht, denn wem geht es bestens, wenn ein engster Angehöriger gerade verstorben ist?

Da bin ich schon beim Thema - dem Umgang mit Trauernden. Hier kommt meine ganz persönliche Meinung zu bestimmten beobachteten Erfahrungen und Fragen hinsichtlich des Umgangs mit Trauernden, mit der herzlichen Bitte an Sie, dem Leser, diese einfach zu reflektieren, darüber nachzudenken, wie Sie das sehen. Jeder hat ja seine eigene Ansicht und Meinung.
Foto: S. Hermann & F. Richter / Pixabay

1. Die Straßenseite wechseln, um so zu tun, als ob man den Trauernden nicht sieht

Das erlebt man des öfteren. Dennoch ist diese Art der Form des Umgangs nicht gerade das "Gelbe vom Ei". Wenn man einen trauernden Angehörigen sieht, dann grüßt wann wenigstens, in der Regel erhält man selbstverständlich eine Erwiderung. Signalisiert der Trauernde eine Gesprächsbereitschaft (offener Blick, Gestik / Mimik), dann sprechen Sie ihn an.

2. Auf der Straße Kondolieren oder nicht?

Sie merken an der Körpersprache desjenigen, ob jemand bereit ist für ein Gespräch. Kondolieren gehört denn dann auch dazu, wenn man der Person nicht schon eine Kondolenzkarte geschickt hat.
Trauernde freuen sich über selbst kleine Gesten.

3.  "Offene Ohren haben"

Für Trauernde ist das eine Wohltat, wenn ein Gegenüber gesprächsbereit ist, wenn man nicht abgewürgt wird,  wenn quasi  jemand "da ist".  Auch Schweigen gehört zum "Da sein" dazu, auch wenn es manchmal vielleicht nicht aushaltbar erscheint. Es kann dem Trauernden helfen. Mit offenen Ohren meine ich auch, zuhören können, Verständnis für die Situation zeigen,

Aber Worte wie z. B. " da muss man durch" oder "jetzt musst Du tapfer sein" helfen da nicht immer weiter, finde ich. Die Schilderung eigener Erfahrungen von Trauer können teilweise hilfreich  ("ah, der hat das auch mitgemacht") oder aber ganz fehl am Platze sein.
Wenn Sie unsicher sind, wie dies wirken könnte, erzählen Sie nicht von den eigenen gemachten Erfahrungen.


4.  Ungefragte Ratschläge

Geben Sie nur Ratschläge, wenn der Trauernde wirklich echt danach fragt.  Drängen Sie nichts auf, überlassen Sie ihm die Entscheidung und sprechen Sie das auch aus. Der Trauernde ist mündig.
Sollten Sie für Gespräche mit Bestattungsinstitut und anderen Institutionen Beistand leisten wollen, dann leisten Sie bitte auch nur "BEISTAND".  Reden Sie nicht rein, überlassen Sie dem Trauernden die Gesprächsführung. Allein die Tatsache, dass ein Angehöriger oder guter Freund in Gesprächen dabei ist, ist bereits eine sehr große Stütze.


5.  Jeder möchte das Grab gießen

Ich weiß, es ist  ja nur gut gemeint, eine Schale oder Pflanzen auf dem Grab des Verstorbenen zu gießen. Bevor Sie das aber tun, fragen Sie bitte die Angehörigen, ob es gewünscht ist. Viele haben das Grab in Pflege gegeben oder kümmern sich persönlich um die Bepflanzung inkl. Gießen.
Ich habe es gerade mitbekommen  dass ein Unbekannter die Blumenschale auf einem Grab im Verwandtenkreis so doll gießt, dass das Wasser bis zum Rande der Schale hochgestiegen ist und sogar abgeschüttet werden muss,  und die Pflanzen aufgrund des "Zuviel" an Wasser gar nicht richtig gedeihen. Ein nun angebrachtes Schild "bitte nicht gießen" hat leider nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Sehr schade für alle.


6.    Hilfe anbieten im Alltag - Mut machen

Viele sind ja der Meinung, Trauernde würden schon kommen, wenn sie in den ersten Phasen der Trauer Hilfe benötigten.
Der Schein trügt.  Wenn Sie wirklich echt und ehrlich jemandem helfen möchten, dann bieten Sie es doch auch aktiv und direkt dem Trauernden an. Der Trauernde wird sicher zu gegebener Zeit darauf zurückkommen, wenn er mag. Im Gegenzug sollten Sie aber dann auch das seinerzeit ausgesprochene Angebot nicht im Nachgang zurücknehmen.
Zum Hilfeanbieten gehört auch das Anbieten von Ablenkung, wie z. B. einen gemeinsamen Spaziergang machen. Ich persönlich bin gerne draußen. Laufen, Spazierengehen kann ablenken, man sieht anderes, man spürt die Natur, riecht die  Pflanzen, spürt die Sonne, den Wind und möglicherweise auch mal einen Sturm oder Regen. Alles das kann gut tun.

Mut machen ist wichtig, Hoffnung geben. Das können - wie oben erwähnt - bereits kleine Gesten sein, auch mit Hilfe der modernen Medien. Schon ein  Gruß via Mail, Messenger,  oder das Senden eines selbstgemachten Fotos von Blumen, Blüten oder schönen Aussichten via WhatsApp  kann sehr viel Hoffnung ausstrahlen.

Ich blicke gerade aus dem Fenster und sehe, dass sich nunmehr die Sonne gerade hinter ein paar Wolken versteckt. Ich hoffe, sie kommt bald wieder heraus, so dass ich in meiner anstehenden Mittagspause etwas laufen kann.

Ich wünsche Ihnen nun eine erfolgreiche Woche.  Denjenigen, die nunmehr Urlaub haben, wünsche ich erholsame Tage. Bleiben Sie mir alle  inspiriert.

Herzliche Grüße

Karin Schleines